Bundesrealgymnasium Wien 19
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Austausch mit Armentières - Teil 2

im Rahmen des EUROPROJEKTS "Éducation sans Frontiers"

„Bienvenue chez les Ch‘tis!“, scheint uns in bunten Lettern entgegen, als wir in Lille aus  dem französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV aussteigen. Nach einem langen Tag des Reisens erwarten uns unsere Austauschschüler bereits am Bahnsteig mit selbstgebastelten farbigen Schildern, die uns im Norden Frankreichs, also bei den „Ch’tis“ Willkommen heißen. Auf diesen herzerwärmenden Empfang folgt eine freudige Begrüßung unserer Franzosen, die wir immerhin seit November nicht mehr gesehen haben. Relativ schnell löst sich die Gruppe auf, unsere Wege trennen sich und wir folgen unserem Gastgeber zu unserem neuen zuhause, gespannt, was die Woche wohl so bringen mag.

 

Am nächsten Morgen treffen wir uns direkt in der Schule, dem Lycée Saint-Jude. Sofort werden lautstark erste Eindrücke, Erlebnisse und Eigenheiten des ersten Abends ausgetauscht: „Gibt’s bei dir was anderes als Nutella und Weißbrot zum Frühstück?“, „Trinkt deine Familie auch den Kakao aus Müslischüsseln?“, „Ha, unserem Hund kann man die leeren Flaschen zuwerfen und er bringt sie dann zum Müll!“ Außerdem findet ein regelrechter Wettstreit darum statt, wessen Kaff abgelegener ist, wer länger in die Schule braucht und wer am frühesten aus dem Bett musste.

Am Vormittag werden wir durch die riesengroße Schule geführt, die tatsächlich genauso aussieht, wie man es aus den Filmen kennt: hohe Backsteinmauern, ein gusseisernes Eingangstor und ein gigantischer Innenhof mit Bäumen. Im Anschluss werden wir in kleine Gruppen geteilt und dürfen verschiedenen Unterrichtsstunden beiwohnen. Natürlich werden wir zum Ausstellungsstück des Tages erkoren und müssen etwas über uns selbst und das österreichische Schulsystem erzählen. Ich nutze die Gelegenheit, um ein paar Halbwahrheiten zu verbreiten und Österreich nach meinem Willen zu skizzieren. Jetzt glauben die Franzosen, unsere Lehrer schmeißen Handys aus dem Fenster, wenn sie Schüler beim SMS-Schreiben in der Stunde erwischen.

Nach dem Mittagessen in einer ebenfalls riesigen, klassisch-amerikanischen Schulkantine besichtigen wir das Rathaus von Armentieres, l’Hôtel de Ville auf gut Französisch. Nach der Besteigung des für flämische Städte typischen Belfrieds sollte uns der Bürgermeister persönlich begrüßen. Dieser ist aber leider verhindert, und jetzt erhalten wir eine Ansprache vom Vizebürgermeister von Armentieres. Warum nicht gleich von der zweitbesten Freundin der geschiedenen Ehefrau des Bürgermeisters, fragen sich so manche, aber der Vizebürgermeister redet immerhin sehr freundlich und nett mit uns. Außerdem gibt es Kekse und Sekt.

Abend haben unsere Austauschschüler eine äußert sympathische Bar für die gesamte Gruppe reserviert. Endlich haben wir genug Zeit, uns wieder mit unseren im November lieb gewonnenen französischen Freunden zu unterhalten, österreichisch-französische Tischfußballturniere auszutragen und einen schönen gemeinsamen Abend zu verbringen.

 

In den nächsten Tagen steht ein sehr intensives Programm vor uns, da uns die Franzosen einen möglichst facettenreichen Einblick ins Nord-Pas-de-Calais bieten wollen. Wir fahren mit Bus zwei Stunden nach Bologne-sur-Mer, um die Altstadt, das Meeresmuseum Nausicaa und natürlich das Meer selbst zu besichtigen, verbringen eineinhalb Tage im wirklich schönen, fast die Adjektive „süß“ oder „putzig“ verdienenden Lille und machen einen Ausflug nach die ehemals reichste, mittlerweile ärmste Stadt Frankreichs, Roubaix. Dort besu chen wir das „Musée de la Piscine“, ein ehemaliges öffentliches Schwimmbad, das in ein Museum verwandelt wurde und uns zwar mit einer ziemlich abstrakten Führerin, dafür einer umso interessanteren temporären Picasso-Ausstellung Willkommen heißt.

Natürlich haben wir zwischendurch immer genug Freizeit, um Shoppen zu gehen oder uns von unseren Austauschschülern ihre Lieblingswinkel der jeweiligen Städte zeigen zu lassen.

Außerdem haben die Franzosen für uns eine „Überraschung“ vorbereitet – eine, wie sich herausstellt, ziemlich übel riechende und sehr gewöhnungsbedürftige Überraschung, die dafür definitiv den bleibendsten und memorabelsten Eindruck der ganzen Woche hinterlassen hat: einen Besuch in einer Fischfabrik.

Freundlicherweise haben sich unsere Austauschschüler darum bemüht, trotz der großen Distanzen zwischen den verschiedenen Wohnorten jeden Abend ein Programm für die gesamte Gruppe zusammenzustellen. Wir gehen bowlen in der größten Bowling-Halle Europas, wo ein gewisser muskulöser österreichischer Schüler bei mehreren Geräten zur Kräftemessung den High-Score bricht, wir essen Flammekueche in einem traditionell elsässischen Restaurant und wir feiern den letzten Abend im Foyer und im Hof der Schule.

 

Freitagmorgen findet am Bahnhof in Armentieres der zwar noch etwas verschlafene, dafür trotzdem gebührend nostalgische Abschied von unseren französischen Freunden statt. Es werden zahllose Umarmungen verteilt, Einladungen ausgesproche n und sogar einige Tränen vergossen. Für uns ist die Woche jedoch noch lange nicht zu Ende – erwartet uns Österreicher doch noch ein Wochenende in Paris.

Die beiden folgenden Tage in der Stadt der Liebe entwickeln sich schnell zum unbestreitbaren Höhepunkt der Woche. Die Stimmung innerhalb der Gruppe könnte nicht besser sein und sogar das Wetter spielt mit und lädt ein zu langen Spaziergängen durch die Stadt. Wir besichtigen gemeinsam die klassischen Sehenswürdigkeiten in Paris, vom Eiffelturm über Notre-Dame, das Centre Pompidou und den Louvre bis ganz hinauf auf den Montmartre zum Sacre Coeur. Was die Zeit in Frankreichs Hauptstadt allerdings richtig einzigartig werden lässt, und das soll wirklich erwähnt werden, ist die lockere Einstellung der beiden Lehrerinnen und ihr Vertrauen uns Schülern gegenüber: Wir können uns das Programm so gut wie frei aussuchen, bei unterschiedlichen Wünschen teilen wir uns in zwei Gruppen auf und uns wird zusätzlich noch so viel Freizeit gegeben, dass wirklich jeder auf seine Art und Weise die Schönheit von Paris entdecken kann.

 

Aus genau diesen Gründen nehmen wir Sonntag Abend am Flughafen Wien nur sehr ungern wahr, dass diese Reise zu Ende ist. Wir können auf einen lustigen und erfahrungsreichen Schüleraustausch in Armentières und ein wirklich schönes Wochenende in Paris zurückblicken, insgesamt also auf eine tolle Woche mit großartigen Leuten.

Verfasser: Simon Nagy 7B


Für den Inhalt dieses Artikels verantwortlich: Mag. Esther Carola Manzana
erstellt: Fr, 25. Mai 2012, 12:24:39
letzte Änderung: Sa, 16. Jun 2012, 14:26:19